weiter.vorn 2.18 wissenschaftspreise - 21 das phänomen licht, im landläufigen verständ- nis der sichtbare teil der elektromagnetischen strahlung, ist in wissenschaft und forschung, industrie und gesellschaft nahezu omnipräsent. technische lösungen, die mit licht arbeiten, finden sich überall: mikroskope oder teleskope in der forschung, led-scheinwerfer im auto, laser in der industrie, glasfaserkabel in der tele- kommunikation, digitalkameras für fotografen, virtual-reality-brillen bei computerspielen – alle diese anwendungen nutzen licht als medium oder energieträger. weltweit versuchen universitäten und for- schungseinrichtungen, das phänomen licht noch besser zu verstehen und neue anwendun- gen zu entwickeln. ganz vorne mit dabei ist das fraunhofer-institut für angewandte optik und feinmechanik iof in jena. gemeinsam mit zehn industriepartnern und der universität jena hat ein forscherteam eine innovation entwickelt, die den weg für eine reihe neuer anwendungen öffnet. das stich- wort lautet freiformoptische systeme. bisher war die optik auf sphärische (teil einer kugel) oder asphärische (abweichend von einer kugelform) formen begrenzt. die entwicklung dieser gleichmäßig geformten rotationssymmetrischen optiken und linsen ist ziemlich ausgereizt, es wird immer aufwendiger, neue funktionen und anwendungen zu realisieren. es besteht hoher bedarf an frei formbaren optiken. frei formbare oberflächenprofile ermöglichen neue funktionen bei verbesserter abbildungs- qualität. so kann beispielsweise eine optik in einem teleskop über mehrere brennweiten verfügen, ohne dass dazu mehrere linsengrup- pen und einzellinsen verbaut werden müssen. das spart material, gewicht und platz. dies wiederum ermöglicht eine besonders kompakte und leichte bauweise. wenn weniger einzel- teile verbaut werden müssen, erleichtert und beschleunigt das natürlich auch die fertigung. komplexe zusammenarbeit der projektpartner die expertinnen und experten am iof ha- ben das potenzial freiformoptischer systeme erforscht, innovative lösungen vorgestellt und die fertigungsmethoden weiterentwickelt. vom hochpräzisen schliff der linsen über die beschichtung und vergütung der komplex geformten oberflächen bis hin zum polieren der gläser konnten die forschenden gemeinsam mit den beteiligten industriepartnern eine reihe technischer herausforderungen lösen. dr. ramona eberhardt, abteilungsleiterin feinwerktechnik und stellvertretende instituts- leiterin am iof, hat das komplexe und viele jahre dauernde forschungsprojekt geleitet und die zusammenarbeit aller partner koordiniert. »dieses große team mit all den unterschiedli- chen kompetenzen und interessen zusammen- zuhalten, war schon eine herausforderung«, sagt eberhardt. doch die mehr als 100 meetings in drei jahren, die ungezählten telefonate und e-mails, sie haben sich gelohnt. heute beweisen demonstratoren das potenzial der neuen tech- nologie, beispielsweise als infrarotoptik für den feuerwehrmann, als spezialoptik für weltraum- teleskope oder als fahrerassistenzsystem. durch die freiformoptischen systeme werden neue anwendungsszenarien realisierbar, etwa bei der erd- und wetterbeobachtung, in der umwelt- technik sowie in den bereichen automotive und public safety. projektleiterin eberhardt nennt als aktuelles beispiel die nightvision-technik am auto: »mit herkömmlicher technik bräuchte man eine vielzahl von kameras, um alle winkel zu erfassen. die freiformoptik ermöglicht den bau von kameras, die unterschiedliche brenn- weiten und funktionen in einem kompakten ge- häuse vereinen.« für mikro- und nanosatelliten der zukunft sind die freiformoptiken ebenfalls ideal. sie ermöglichen einen gefalteten strah- lengang mit weniger linsen und sparen somit gewicht und platz. eine ganzheitliche technologie- plattform die idee der freiformoptik ist nicht neu, konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. es gab keine zusammenhängenden prozessketten für die wirtschaftliche fertigung entsprechen- der produkte. dies war deshalb ein zentrales anliegen des projekts. unter der leitung von eberhardt und ihrem team ist eine ganzheitliche technologie-plattform entstanden, bei der zahl- reiche industriepartner, darunter unternehmen wie jenoptik und asphericon, ihr know-how einbringen. die vielfältigen kompetenzen des verbunds decken die ganze prozesskette ab – von entwicklung und design über die fertigung bis hin zur systemintegration. die initiative wurde im programm »innovativer regionaler wachstumskern« vom bundesministerium für bildung und forschung (bmbf) mit 14,4 mio euro gefördert. im keller des institutsgebäudes in jena liegen die räume für die fertigung. hier stellen die forscherinnen und forscher prototypen her und verfeinern ihre fertigungsverfahren. betreten lassen sich die räumlichkeiten nur durch eine spezielle schleuse. im inneren ist die temperatur exakt eingestellt und geregelt, riesige luftrohre führen zu warme oder zu kalte luft ab. die empfindlichen maschinen stehen auf gra- nitplatten, um selbst kleinste erschütterungen wie beispielsweise trittschall zu eliminieren. sie produzieren die systeme oder bauteile, die die entwickler sich ausgedacht und dann mithilfe mathematischer modelle am pc berechnet ha- ben. die ultrapräzisen diamantwerkzeuge sind in der lage, optiken mit einem durchmesser von bis zu einem meter zu bearbeiten. besucher sind auch beeindruckt von der poliermaschine. sie arbeitet mit einer polierflüssigkeit, die mit eisenspänen angereichert ist. diese eisenspäne sind das flüssige sandpapier. durch ein mag- netfeld lassen sie sich gezielt ausrichten, um die oberflächen zu bearbeiten. für die herstellung aller komponenten gilt: die enge zusammenarbeit aller projektpartner war entscheidend für den erfolg des projekts. »für eine funktionierende freiformoptik müssen alle partner zusammenspielen und ihre unterschiedli- chen kompetenzen einbringen«, sagt eberhardt. für diese gemeinschaftsleistung haben das iof und seine partner jetzt den wissenschaftspreis des stifterverbandes für verbundforschung 2018 erhalten. eine gute nachricht ist das thema freiform auch für die traditionsreiche optikbranche in thüringen: das projekt trägt erheblich zur stär- kung der branche in thüringen und der region jena bei. jena wird in der branche oft als »optic valley« bezeichnet und gilt als deutschlands erste adresse in sachen optik-know-how. mit dem forschungsprojekt freiform hat jena beste chancen, dass dies auch in zukunft so bleibt.